Mündliche Tradition und Überlieferung
Es existieren also eine mündliche und eine schriftliche Tradition der Übermittlung von Wissen. Beide Formen sind immer noch aktuell und in Gebrauch, wobei die schriftliche Tradition in ihrer heutigen Form besonders beim Heimstudium zum Tragen kommt, erhält der Studierende doch schriftliche Studienunterlagen, die sog. Monographien.
Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint auch, dass die schriftliche Tradition der Rosenkreuzerbelehrungen mit dem Beginn der Buchdruckerkunst, aber auch mit den ersten historischen Rosenkreuzerschriften Fama Fraternitatis und Confessio Fraternitatis zusammenfällt. Dabei gilt es festzuhalten, dass die beiden Schriften nicht vom Leben oder der Lehre eines “Christian Rosenkreutz” handeln. Eine Person mit diesem Namen hat es nie gegeben! Die beiden Buchstaben C. R. – aus denen dieser Name abgeleitet wurde – bedeuten etwas völlig anderes und sind symbolisch zu verstehen.
Die alte Tradition der mündlichen Überlieferung „von Mund zu Ohr“ ermöglicht eine besondere Art der Übermittlung. Das Wesentliche lässt sich nicht schriftlich vermitteln und so wird durch die mündliche Tradition vermieden, Missverständnisse und Halbwissen zu mehren. Die mündliche Tradition widmet sich insbesondere der Arbeit mit den traditionellen Denkmodellen des Ordens, die so ausgerichtet ist, dass das archetypische Bewusstsein des Studierenden angesprochen wird. Das Erlernen der sog. „mystischen Sprache“ ermöglicht die persönliche Erfahrung der „vertikalen Überlieferung“, den Zugang zum Inneren Selbst. Auf diese Weise ergänzen sich die horizontale Überlieferung, d.h. Wissensvermittlung und die vertikale Überlieferung durch persönliche Offenbarung der kosmischen Ordnung.
„Du sollst dich nicht nach einer vollkommenen Lehre sehnen, sondern nach einer Vervollkommnung deiner selbst. Die Gottheit ist in dir, nicht in Begriffen und Büchern.“
Hermann Hesse