Jakob Böhme

Jakob Böhme (1575-1624) ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Hegel sah in ihm den ersten deutschen Philosophen. Er hat einen Einfluss auf Newton, Novalis, Schlegel, Goethe, Fichte und Schelling ausgeübt. Louis-Claude de Saint-Martin betrachtete ihn als seinen zweiten Meister.
Böhme ist 1575 in der Nähe von Görlitz geboren und lernt den Beruf eines Schuhmachers, nachdem er die Dorfschule besucht hat. Schon in seiner Kindheit gibt es seltsame Zeichen, die ein außergewöhnliches Schicksal ankündigen. Eines Tages, als er alleine im Laden seines Meisters ist, trat ein Unbekannter ein, der sich ihm näherte und ihn betrachtete, als ob er bis ins Innerste seiner Seele schauen wolle. „Jakob, du bist noch gering“, sagte er ihm, „aber du wirst groß sein, und du wirst ein ganz anderer Mensch werden, so dass du die Welt in Erstaunen setzen wirst. Sei deshalb religiös, fürchte Gott, und verehre seine Worte, und lies vor allem die Heilige Schrift sorgfältig, denn in ihnen wirst du Trost und Belehrung finden, denn du wirst viel leiden; du wirst Armut zu ertragen haben, Missgunst und Verfolgungen; sei aber mutig und beharrlich, denn Gott liebt dich und Er ist dir wohlgesonnen.“

Von Jakob Böhme, den man später „Philosophus Teutonicus“ nennen wird, ist bekannt, dass er sich einer kleinen Gruppe um den Dorfpastor Martin Möller anschloss, um die Ideen von Paracelsus und Valentin Weigel zu studieren. In diesem den Rosenkreuzern nahestehenden Kreis empfing Böhme wichtige Keime einer Bildung, aus denen er durch seine Meditationen großartige Früchte empfangen wird. Das Leben des jungen Mannes nahm im Jahr 1600 mit einer markanten Erfahrung eine ausschlaggebende Wende. Er ward plötzlich bei der Betrachtung einer Zinnvase von einer tiefen mystischen Ekstase ergriffen, einer Erfahrung der Einheit mit allem. „Ich habe gesehen“, sagte er, „und habe in einer Viertelstunde mehr verstanden, als ich in langen Jahren in Schulen und Universitäten hätte lernen können“. Einige Jahre später, 1610, schrieb er seine „Aurora oder die Morgenröte im Aufgang“, einen Text, in dem er die Belehrungen niederschrieb, die er aus dieser Erfahrung gewonnen hat.

1612 erfuhr der neue Pastor von Görlitz, Gregorius Richter von Böhmes Offenbarungen. Ab diesem Moment begann eine unaufhörliche Verfolgung des Schuhmachers, der keine Ruhe mehr vor Richter haben sollte. Trotz dieser Belästigungen versuchte Böhme, heiter zu bleiben, Zuflucht im Gebet und der Einkehr suchend.

In den folgenden Jahren hatte er mehrere mystische Erfahrungen, die ihn dazu führten, dem Donnerwetter des Pastors zu trotzen und die Feder von neuem zu ergreifen. 1619 schrieb er „Von den Drei Prinzipien des göttlichen Seins“ ein Werk, mit dem er die Grundlagen des Bösen zu verstehen suchte und das der Frage nach dem Ursprung und der Schöpfung nachgeht. Andere Werke folgten, wie“ Das dreifache Leben des Menschen gemäß dem Geheimnis der drei Prinzipien der göttlichen Manifestation“, das er im Verlauf des Winters 1619 verfasste.

Die Texte Jakob Böhmes zirkulierten in Form von Manuskripten, und seine Leser, oft hochberühmte Personen, kamen persönlich, um ihn zu befragen oder schrieben ihm, um Aufklärungen über die göttlichen Geheimnisse zu erhalten. Um einem seiner Freunde, Balthasar Walter, zu antworten, schrieb er die „Vierzig Fragen über den Ursprung, das Wesen, die Natur und die Eigenschaften der Seele, wie sie von Ewigkeit zu Ewigkeit ist“.

Zu den bekanntesten Werken des Philosophus Teutonicus  gehört „Von der Signatur der Dinge“, ein Text aus dem Jahr 1621. Dieses Buch setzt die Theorie der „Signaturen“ fort, ein Schlüsselbegriff der paracelsischen Medizin, das davon handelt, dass die Körper nur äußere Figuren sind, deren Charakteristika die Aspekte der Seele aufdecken. Dieses Buch ist wahrscheinlich eines der kompliziertesten, das Jakob Böhme geschrieben hat.

Zu seinen wichtigsten Texten gehört auch das „Mysterium Magnum“, das er 1623 niederschrieb. Es handelt sich um ein umfangreiches Werk, mit dem Untertitel: „Erklärender Kommentar zum 1. Buch Moses“. Böhme bemüht sich, den geheimen Sinn vom Text der Genesis zu enthüllen und stellte damit eine originäre Überlegung zum Nichts vor – das er mit dem Namen Ungrund bezeichnet – der der Schöpfung vorausgeht. Seine Beobachtungen, die denen der Qabalisten über das Aïn-sof sehr nahe sind, haben einen großen Einfluss auf Generationen von Denkern.

Die Philosophie von Jakob Böhme beruht auf einer sehr komplexen Kosmogonie von großer Tiefe und findet später ein großes Echo in der westlichen Esoterik. Dank der Bücher, die Alexandre Koyré, Pierre Deghaye und Basarab Nicolescu ihm gewidmet haben, sind die Gedanken von demjenigen, den man manchmal als den „Prinzen der christlichen Theosophie“ bezeichnet, leichter zugänglich. Erst nach dem Tod von Jakob Böhme, der 1624 unerwartet eingetreten ist, wurde sein Werk veröffentlicht. Johann Georg Gichtel (1638-1710), der unter seinen posthumen Schülern der Wichtigste war, widmete sich deren Veröffentlichung gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Während dieser Zeit wurden Böhmes Werke auch ins Englische übersetzt. In Frankreich ist es den Übersetzungen von Louis Claude de Saint-Martin zu verdanken, dass man die Gedanken von Jakob Böhme entdeckt hat. Die Übertragungen von Saint-Martin, der Jakob Böhme als seinen zweiten Lehrer bezeichnet hat, werden manchmal als klarer als die Originaltexte beurteilt, und oftmals hilft das Lesen dieser Übertragungen, dass sogar Deutsche die Tiefe der Schriften des Philosophus Teutonicus erst erfahren. Dank Nicolass Berdiaeff und Serge Boulgakov hat die Philosophie von Jakob Böhme bis nach Rußland ausgestrahlt.

„Wenn ich einen Stein oder Erdenklumpen aufhebe und ansehe, so sehe ich das Obere und das Untere, ja die ganze Welt darinnen.“
Jakob Böhme