HINTER DEN KULISSEN Der Punkt entspricht der Eins im Sinne des Einsseins, dem Anfang, der ersten Ursache, aus der die Welt der Erscheinungen hervortritt. Das Nachsinnen über Symbole lässt in uns neue, seltsame, aber harmonische Akkorde ertönen. Symbole scheinen eine Sprache zu sprechen, die unser Inneres gut versteht, die aber unserem äußeren objektiven Be- wusstsein fremd ist. Es ist ihm klar, dass ihre Form und Gestaltung nicht zufällig ist. Seine innere Anteilnahme sagt ihm, dass Symbole eine verborgene Bedeutung haben und eine esoterische Sprache sprechen, deren Sinn er erschließen muss. Ein Teil ein jeder mystischen Schulung besteht darin, dass nur äußerst kurz und knapp erklärt wird, was die hauptsäch- lichen Symbole traditionsgemäß darstellen oder was sie "bedeuten". Damit hat der Intellekt zunächst mal seine Nahrung und das Unterbewusstsein wird angeregt. Aber schon bald wird klar, dass die traditionellen Bedeutungen lediglich als Ausgangspunkte für eigene Betrachtungen und Meditat ionen gegeben werden. Langsam begreift man, dass das objektive Bewusstsein des Menschen die Bedeutung eines Symbols nur in beschränktem Maße erfassen kann. Die wenigen einfachen Sätze, die als Erklärung angeboten werden, sind nur Schöpferische Urkraft. ein flüchtiger Fingerzeig und lassen nur die äußere, vernunftmäßige Seite eines Symbols erkennen. Ein Symbol kann nicht nur rein verstandesmäßig erfasst werden, sondern seine Bedeutung muss auch tief- innerlich empfunden werden; man muss es erleben. Das Symbol ist ein höchst differen- ziertes Produkt des menschlichen Unterbe- wusstseins. Es repräsentiert eine lebendige Kraft – das Bewusstwerden, Erfassen und Erleben einer kosmischen Wahrheit. Jedes Symbol erstreckt sich auf ein weites Gebiet des Denkens und Fühlens. Die Reich weite seines Wirkungsfeldes wird meist erst nach langen Phasen des Studiums, der Medi ta- tion und der Erfahrung erkannt. Ein leben- des Symbol gewinnt neuen Sinn und neue Bedeutung bei jeder neuen Betrachtung. Während sich unser Bewusstsein entfaltet, werden wir nicht nur über die traditionellen Symbole der Vergangenheit nachdenken, sondern beim Meditieren werden auch neue und einzigartige Symbole aus unse- rem Unterbewusstsein auftauchen. Diese sind Ausdruck des inneren Selbst – eine Manifestation der Stimme des Inneren, die uns auf unserem Wege leiten will. Betrachten wir zunächst die äußeren, ober- flächlichen Merkmale eines Symbols. So könnte man ein Symbol als die figürliche Darstellung einer Idee, einer Handlung oder einer Wechselwirkung beschreiben. Es könnte zum Beispiel eine Naturgegebenheit darstellen, wie z. B. eine dunkle Wolke oder einen Löwen. Andererseits könnte es auch lediglich aus Punkten, Linien oder Flächen bestehen, wie ein Dreieck, ein Viereck, ein Kreis oder eine Pyramide. Darüber hinaus steht ein Symbol nicht für die figürliche Darstellung an sich, sondern verweist auf etwas außerhalb seiner selbst. So kann die bildliche Darstellung eines Löwen Mut bedeuten, eine dunkle Wolke drohendes Unglück, ein Dreieck Vollkommenheit, ein Viereck Gediegenheit und der Kreis Unendlichkeit oder Ewigkeit. Die bildliche Darstellung eines Symbols steht in Be- ziehung zur jeweiligen geistigen Abstrak- tion, mittels Ähnlichkeit, Assoziation oder Suggestion. Beim Löwen denkt man an ein wildes, starkes, tapferes und kampflustiges Tier – an Mut. Eine dunkle Wolke bringt man in Zusammenhang mit Blitz und Donner- drohendem Unheil. JENSEITS ALLER WORTE Mystiker erkannten mit eindrucksvoller Klarheit die einfache Tatsache, dass Worte nicht hinreichen, gewisse Erfahrungen und Erkenntnisse zu beschreiben, besonders solche, welche eine Wechselwirkung von Eindrücken, Gefühlen, Gedanken und In- tuition enthalten. Sie begriffen, dass Worte in ihren Ausdrucksmöglichkeiten begrenzt sind und das objektive Denken einengen. Worte umschreiben, was sie auszudrücken wünschen. Was sie beschreiben wollen, umgeben sie mit einem engen, begrenzten Zaun – einem immer einengenden Zaun aus Grammatik, Syntax und Rhetorik. Worte sind daher unzulänglich zur Beschreibung von gewissen Erkenntnissen oder Erfahrun- gen des Bewusstseins. Schließlich leben wir nicht in einer mechanistischen, sondern in einer organischen Welt, einer Welt der lebendigen Erfahrung. Wir leben eben nicht nur in einer Welt des logischen Denkens, sondern auch in einer Welt der Gefühle, der Empfindungen und des intuitiven Schau- ens. Der Mensch denkt nicht nur, er erlebt auch. Der Mensch ist nicht nur rational, er ist zugleich auch nicht-rational. Worte beschränken den Kreis des Bewusstseins. Sie können nichts erschöpfen – sie können nur umschreiben. Das zu Beschreibende schließt mehr ein und umfasst mehr, als eine zusammenhängende Gruppe von Wörtern im besten Falle ausdrücken kann. Worte versagen, wenn sie Gefühle, Gemüts- bewegungen oder subtile Andeutungen übermitteln sollen. Ein Symbol dagegen steht über dem Wort. Wörter beschränken, nicht aber Symbole. Die alten mystischen Philosophen wussten das sehr wohl. Sie be- nutzten Symbole, um der lebendigen Kraft ihrer Erkenntnisse Ausdruck zu verleihen und sie der Nachwelt zu erhalten. 24