DER MENSCH ALS AGENT DES GÖTTLICHEN Die äußere Gottesverehrung hätte sich nie von der inneren trennen sollen, allein da die Schwäche des Menschen den Geist so gern in dem Buchstaben vergisst, so erweckte der Geist Gottes unter allen Nationen die Lichtfähigsten und gebrauchte sich derer als seiner Agenten, die Wahrheit und das Licht nach der Empfänglichkeit des Menschen überall anzufachen, um den toten Buchstaben mit Geist und Wahrheit zu beleben. Karl von Eckartshausen Die Wolke über dem Heiligtum Auf dem mystischen Weg gilt es, sich zu einem Streiter für das Licht und für das Gute zu entwickeln. Dass der Mensch mehr und mehr zu einem solchen Agenten des Göttlichen werde, davon sprechen viele Mystiker und Philosophen, die dem Weg im Zeichen des Rosenkreuzes nahestehen. Von Paracelsus, Jakob Böhme oder Louis-Claude de Saint-Martin wird immer wieder hervorgehoben, dass diese Aufgabe die eigentliche Bestimmung des Menschen sei. Durch alle seine Erfahrungen und Prüfungen würde er sich auf dieses Amt unausweichlich hin entfalten. Doch was hat es mit dem hohen Ideal, das hinter dem Begriff des Agenten des Göttlichen steht, für eine Bewandtnis und wie erreichen wir eine Annäherung an dieses Ideal? Die Verwirklichung des höchsten Ideals Der Begriff Agent ist vom lateinischen Verb agere abgeleitet, was treiben, handeln oder tun, aber auch behandeln und führen bedeuten kann. Ein Agent ist demnach ein Agierender, ein Aktiver, einer, der tätig ist, der handelt. Das lateinische Verb agere selbst stammt von der indogermanischen Wurzel agr ab, was soviel wie Ackerboden, Feld oder zu bebauende Fläche bedeutet. Der Zusammenhang, welcher sich hier auf der Ebene der Sprache offenbart, zeigt die enge Verbindung, die für uns Menschen zwischen dem Erdboden der materiellen Welt und unserem Tätigsein in ihr besteht. Die Erde, der Ackerboden, das Materielle ist demnach für den Menschen als Agent die Ebene der Tat. Im weiteren Verständnis des Wortes stellt ein Agent eine treibende Kraft dar, welche mit einer Bestimmung handelt und die Ideen, Aufträge und Weisungen einer übergeordneten Instanz umsetzt. Denken wir nur an den Versicherungs-, Handels- oder Geheimagenten… Der Agent verwirklicht die Willensimpulse jener Instanz oder jener Macht, der er sich zu Treue und Loyalität verpflichtet hat. Hier klingt eine erste Verbindung zwischen dem Agenten und dem Ritter an, dessen Idealbild auf dem mystischen Pfad eine zentrale Rolle spielt. Der Ritter dient seinem König, indem er umsetzt, was dieser ihm gebietet. Und der König steht für das höchste Ideal, welches das Handeln des Ritters bestimmt, welches er verteidigt und wofür er Opfer zu bringen und sich zu verändern bereit ist. Der Ritter des Königs steht in der mystischen Tradition tatsächlich synonym für jenen Menschen, der sich zu einem Agenten des Göttlichen entwickelt hat. Ein solcher Mensch ist bereit und fähig, sich der Führung des Gottes seines Herzens anzuvertrauen und die Impulse, die ihm aus diesem Treuebund – aus dieser Liebesbeziehung – zuströmen, in die Tat umzusetzen. James Bond | Verborgene Mission und hoher Auftrag Betrachten wir nun unsere Mission, ein Agent des Göttlichen oder ein Ritter des Königs zu werden, anhand des modernen Protagonisten James Bond, Agent im Geheimdienst Ihrer Majestät. Dieser vom britischen Autor Ian Fleming geschaffene Mythos steckt voller überraschender Symbolik und Analogien, die uns einen Zugang zum Thema ermöglichen. James Bond ist vielen von uns durch die zahlreichen Filme um seine Abenteuer sehr vertraut, und wir hegen vielleicht ein gewisses Maß an Sympathie für seine Persönlichkeit, die bei aller Kaltblütigkeit und allem Machotum durchaus ein erheiterndes Maß an Selbstironie zu bieten hat – vor allem dann, wenn Roger Moore die Rolle des James Bond verkörpert. An dieser Figur und ihren zunächst wenig offensichtlichen symbolischen Aspekten können wir erkennen, dass alles, was uns in unserem Leben begegnet, immer eine verborgene Seite in sich trägt, die zu entdecken uns von der Sinnhaftigkeit des Seins überzeugen kann. Wir müssen nur lernen, die Schlüssel anzuwenden, die uns auf unserem mystischen Pfad für ein solches Hinschauen geschenkt werden. Betrachten wir zunächst den Namen unseres Helden James Bond. Er enthält interessante Hinweise auf das Wesen eines wahren Agenten im – geheimen – Dienst des Göttlichen. James ist eine englische Form des hebräischen Namens Jakov oder Jakob. Durch Jakob, neben Abraham und Isaak der dritte Erzvater Israels, kam Israel überhaupt erst zu seinem Namen. In der Genesis, dem ersten Buch Mose, wird davon berichtet, wie Jakob als Auszeichnung für seinen bestandenen nächtlichen Kampf mit seinem Gott bzw. seinem Gottesbild den Namen Israel erhält, was Mann oder Streiter Gottes bedeutet. Was kann uns diese Erzählung in Bezug auf das Wesen eines Agenten des Göttlichen, eines Ritters des höchsten Königs enthüllen? Ein Streiter Gottes kennt das Alleinsein, er weiß, wie es sich anfühlt, auf der jenseitigen Seite des Flusses zu stehen, zu spüren, dass alles, was er besitzt, auf die andere Seite gehört, und nicht dem entspricht, was er tatsächlich ist. Denn oftmals muss er erfahren, dass die Motive seines Handelns und Kämpfens sich sehr stark von denen seiner Mitmenschen unterscheiden, und dass er dadurch Widerstände, Unverständnis und Einsamkeit zu erfahren hat. Er ist einer von jenseits, einer, der zur anderen Seite des Seins gehört. Ein werdender Streiter Gottes ringt vor allem immer wieder mit seinem Gottesbild und mit seiner Beziehung zum Göttlichen. Dies tut er vor allem in den dunklen Stunden seines Lebens, wenn er sich Prüfungen gegenübergestellt sieht, welche das existenzielle Fragen nach dem Sinn seines Daseins in ihm aufsteigen lassen. Geht er aus diesem Kampf siegreich hervor, hat er zwar einen Schaden erlitten, d.h. er muss unbrauchbar gewordene Vorstellungen aufgeben; aber er hat eine kostbare Gabe erhalten, das Geschenk des Segens und eines neuen Namens, einer neuen Bestimmung, einer neuen Existenz im Lichte der Morgenröte spirituellen 12